Zuerst die Suizidprävention! DHPV und DGS legen Vorschlag für Gesetz vor

Der Bundestag wird am 24.06.2022 in erster Lesung über die Reform der Suizidbeihilfe beraten. Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) und die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) fordern vor diesem Hintergrund dringend eine eigenständige gesetzliche Verankerung der Suizidprävention und haben einen entsprechenden Vorschlag erarbeitet. Wichtig ist außerdem der weitere Ausbau der Hospiz- und Palliativangebote, auch hier hat der DHPV entsprechende Forderungen und Vorschläge vorgelegt.

„Bevor wir eine staatlich geförderte Suizidbeihilfe oder bundesweite Beratungsstellen zur Umsetzung der Suizidbeihilfe in Betracht ziehen, geschweige denn gesetzlich verankern, muss dringend die Suizidprävention gestärkt werden“, so Professor Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des DHPV, mit Blick auf die 1. Lesung zu gesetzlichen Regelungen zur Beihilfe zum Suizid, die morgen im Deutschen Bundestag stattfinden wird.

In einem gemeinsamen Entwurf fordern DHPV und DGS ein Gesetz, das bundesweit die Grundlagen und Rahmenbedingungen für Angebote der Suizidprävention schafft. „Die Debatte um ein entsprechendes Gesetz muss zeitnah im Bundestag geführt und ein Suizidpräventionsgesetz noch vor einer gesetzlichen Regelung zur Beihilfe zum Suizid verabschiedet werden“, so Dr. Ute Lewitzka, Vorsitzende der DGS sowie Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.

Die Forderungen zur Suizidprävention im Einzelnen:

  • die Aufklärung über den Suizid und seine weitreichenden Folgen
  • flächendeckende Beratung und interventionelle Hilfe
  • Suizidprävention als wichtiger Aspekt der Gesundheitsfürsorge
  • Suizidalität und Suizidprävention als Pflichtthemen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung für Angehörige der medizinischen, pflegerischen und sozialen Berufsgruppen verankern
  • Begrenzung von Suizidgelegenheiten durch z.B. bauliche Maßnahmen

Der stellvertretende Vorsitzende der DGS und Diplomgerontologe Dr. Uwe Sperling weist noch einmal darauf hin, dass Suizid(versuche) meist in großer seelischer Not erfolgen, so nicht mehr weiterleben zu können. „Unterstützung in dieser seelischen Not hilft! Suizidprävention ist möglich! Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe benötigt ein verlässliches Fundament. Deshalb fordern wir den Gesetzgeber auf, Suizidprävention in Deutschland jetzt gesetzlich zu verankern.“

Wenn es um Suizidwünsche von Menschen mit schweren, lebensverkürzenden Erkrankungen geht, kommt darüber hinaus der Hospizarbeit und Palliativversorgung eine Schlüsselrolle zu. Hier braucht es den weiteren Ausbau der Angebote für schwerstkranke Menschen, die etwa aus Angst vor belastenden Symptomen oder unerträglichen Schmerzen den Suizid in Erwägung ziehen. Die praktische Erfahrung zeigt, dass Menschen in der Regel von geäußerten Suizidwünschen Abstand nehmen, wenn sie sich gut begleitet und versorgt wissen und nicht das Gefühl haben müssen, zur Last zu fallen.

„Auch wenn die Entwicklung der Hospizarbeit und der Palliativversorgung durch das Hospiz- und Palliativgesetz von 2015 und die entsprechenden gesetzlichen Regelungen bereits zu einer Verbesserung in der hospizlichen Begleitung und palliativen Versorgung der Betroffenen beigetragen haben, bleibt gerade auch vor dem Hintergrund der drohenden Normalisierung der Suizidbeihilfe viel zu tun“, so Benno Bolze, Geschäftsführer des DHPV.

Die Forderungen im Einzelnen:

  • Hospizarbeit und Palliativversorgung patientenorientiert weiterentwickeln
  • Patientenrechte durch bessere Information und Aufklärung stärken
  • Trauerbegleitung fördern
  • Selbstbestimmung der Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens sicherstellen

Vor allem der letzte Punkt ist auch für das Gesetzgebungsverfahren zur Regelung der Suizidbeihilfe zu beachten: In Ausprägung ihres Selbstbestimmungsrechts darf keine Person oder Organisation bzw. Einrichtung des Gesundheits- und Sozialwesens dazu verpflichtet werden, an einer Suizidhilfe mitzuwirken oder die Durchführung in ihren Einrichtungen zu dulden, wenn dies ihrem Selbstverständnis widerspricht. Hier bedarf es dringend einer gesetzlichen Klarstellung.

In Anbetracht der großen gesellschaftlichen Bedeutung, die die anstehende gesetzliche Regelung hat, plädieren DGS und DHPV für eine fundierte Debatte. „Vor allem sollte die gesetzliche Regelung der Suizidprävention der Regelung der Suizidbeihilfe vorausgehen“, so Hardinghaus und Lewitzka.

DHPV, DGS, die Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und das Nationale Suizidpräventionsprogramm (NaSPro) haben zudem eine Initiative gestartet, die – ebenfalls unabhängig von der Regelung zur Suizidassistenz – die Stärkung und Finanzierung suizidpräventiver Strukturen sowie die Einrichtung einer bundesweiten Informations-, Beratungs- und Koordinationsstelle fordert. Diese Initiative wird von nahezu 40 bundesweit oder überregional tätigen Verbänden und Organisationen unterstützt.

Weitere Informationen

Dem Leben wieder eine Chance geben / Forderungen der DGS und des DHPV für eine gesetzliche Verankerung der Suizidprävention / zum Papier

Hintergrund Suizidaliät (EInführung von Dr. Ute Lewitzka, DGS)

In einem 10-Punkte-Forderungspapier hatte der DHPV zu Beginn der 20. Legislaturperiode Eckpunkte für eine Weiterentwicklung der Versorgung und Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen vorgestellt und die drängendsten Aufgaben für die politisch Verantwortlichen benannt / zu den Forderungen

Initiative von DHPV, DGS, DGP und NaSPro / Eckpunkte und Presseinfo

1. Lesung im Deutschen Bundestag / Informationen

Zahlen

9.206 Menschen starben in Deutschland im Jahr 2020 durch Suizid, das waren über 25 Personen pro Tag. Männer nahmen sich deutlich häufiger das Leben als Frauen, rund 75 % der Selbsttötungen wurden von Männern begangen. Das durchschnittliche Alter von Männern lag zum Zeitpunkt des Suizides bei 58,5 Jahren. Frauen waren im Durchschnitt 59,3 Jahre alt. Weit über 100.000 Menschen unternahmen im Jahr 2020 einen Suizidversuch. Etwa 60.000 Menschen verloren im Jahr 2020 einen ihnen nahestehenden Menschen durch Suizid. Nicht selten benötigen auch sie Unterstützung (nach Angabe der WHO sind von einem Suizid im Durchschnitt mindestens sechs nahestehende Menschen betroffen).

Das bedeutet

- Alle 57 Minuten nimmt sich ein Mensch selbst das Leben.
- Alle 5 Minuten findet ein Suizidversuch statt.
- In den letzten 10 Jahren starben über 97.000 Menschen durch Suizid.
- In den letzten 10 Jahren gab es in Deutschland weit über 1 Million Suizidversuche.
- In den letzten 10 Jahren sind in Deutschland zwischen 500.000 und 1 Million. Menschen von dem Suizid eines ihm nahestehenden Menschen betroffen.
- Alle 9 Minuten verliert in Deutschland jemand einen nahestehenden Menschen durch Suizid.

Informationen des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NASPRO)

Zahlen des Statistischen Bundesamtes (2020)

Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband e.V. ist seit 1992 die bundesweite Interessenvertretung der Hospizbewegung sowie zahlreicher Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Deutschland. Als Dachverband der Landesverbände in den 16 Bundesländern sowie weiterer überregionaler Organisationen der Hospiz- und Palliativarbeit und als selbstverständlicher Partner im Gesundheitswesen und in der Politik steht er für über 1.280 Hospiz- und Palliativdienste und -einrichtungen, in denen sich mehr als 120.000 Menschen ehrenamtlich, bürgerschaftlich und hauptamtlich engagieren.

Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention – Hilfe in Lebenskrisen (DGS) versteht sich als Fachgesellschaft mit spezifischer Ausrichtung im Bereich der Suizidologie und Suizidprävention, unter deren Dach sich Institutionen und Einzelpersonen aus den verschiedensten Disziplinen zusammengeschlossen haben, welche die Ziele der DGS zu ihrer eigenen Aufgabe machen wollen. Die DGS fördert die Gründung neuer suizidpräventiver Einrichtungen und kooperiert mit anderen nationalen und internationalen Einrichtungen und Vereinigungen. Sie ist Mitglied der International Association for Suicide Prevention (IASP).

Kontakt

Angela Hörschelmann
Deutscher Hospiz- und PalliativVerband
Tel.: 030 82 00 758 17
Mobil: 0178 40 660 41
Mail: a.hoerschelmann@dhpv.de
www.dhpv.de

Dr. Ute Lewitzka
Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention
Tel.: 0351/4583671
Mail: dgs.gf@suizidprophylaxe.de
www.suizidprophylaxe.de

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